BVerfG, Beschluss vom 03.11.2016, 2 BvL 1/15 (Rindfleischetikettierung)

cows-1029077_640„Wenn du gegen Rindfleischetikettierungsvorschriften verstößt, machst du dich strafbar. Wann genau das der Fall ist, steht irgendwo in irgendeiner europäischen Richtlinie. Viel Erfolg beim Suchen!“

So ungefähr lautet – überspitzt gesagt – § 10 des „Gesetzes zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union über die besondere Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen und über die Verkehrsbezeichnung und Kennzeichnung von Fleisch von weniger als zwölf Monate alten Rindern“ (Rindfleischetikettierungsgesetz, kurz: RiFlEtikettG).

Besser gesagt: Er lautete so, denn heute hat das Bundesverfassungsgericht diese Vorschrift für verfassungswidrig erklärt, damit ist sie nichtig und nicht mehr anwendbar.

Grund dafür ist, dass es sich um ein sogenanntes Blankettstrafgesetz handelt, das pauschal den Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften für strafbar erklärt, ohne zu sagen, welche konkreten Verstöße davon erfasst sein sollen. Damit kann der betroffene Rindfleischetikettierer kaum vorhersehen, durch welche Handlung er sich strafbar macht. Das ist mit Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes, der eine gesetzliche Festlegung von Straftatbeständen vorsieht, nicht vereinbart.

Nicht entschieden hat das Bundesverfassungsgericht leider die Frage, ob das Gesetz das Ultima-ratio-Prinzip wahrt. Demnach darf eine Strafnorm nur die letzte Möglichkeit sein, um eine erhebliche Gesetzesverletzung zu unterbinden. Ob der einfache Verstoß gegen bürokratische Etikettierungsvorschriften unbedingt ein Vergehen und nicht bloß eine reine Ordnungswidrigkeit sein muss, wäre hier interessant gewesen. Da die Vorschrift aber schon aus anderen Gründen verfassungswidrig ist, musste dies nicht geklärt werden.