BVerfG, Beschluss vom 16.01.2010, 2 BvR 2299/09

Die Auslieferung an ein Land, in dem dem Beschwerdeführer eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung droht, verstößt gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG).

Das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) umfasst auch einen Anspruch darauf, zu allen Anträgen der Gegenseite gehört zu werden. Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG kommt auch dann in Betracht, wenn der Beschwerdeführer sich in einem früheren Stadium des Verfahrens hat äußern können und geäußert hat. Denn das Grundrecht auf rechtliches Gehör erschöpft sich nicht darin, einem Betroffenen die Gelegenheit zu gewährleisten, dass er im Verfahren überhaupt gehört wird, sondern gewährleistet die Gelegenheit, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern, also grundsätzlich zu jeder dem Gericht zur Entscheidung unterbreiteten Stellungnahme der Gegenseite (vgl. BVerfGE 19, 32 <36>; 49, 325 <328>). Daraus folgt unter anderem, dass ein am Verfahren Beteiligter nicht verpflichtet ist, von sich aus nachzuforschen, ob von den übrigen Verfahrensbeteiligten Schriftsätze eingereicht oder Anträge gestellt worden sind (vgl. BVerfGE 17, 194 <197>; 50, 381 <385>; 64, 135 <144>). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet die Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, dass das Gericht dem Beteiligten Gelegenheit geben muss, sich zum Gegenstand des Verfahrens sowie zum Verfahren selbst – insbesondere auch zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen, zum Vortrag der übrigen Beteiligten, zu Ergebnissen sowie entscheidungserheblichen Rechtsfragen – sachgemäß, zweckentsprechend und erschöpfend zu erklären (vgl. BVerfGE 50, 280 <284>; 50, 381 <384>; 89, 28 <35>).

Hinweis: Bevor eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt werden kann, ist regelmäßig eine Anhörungsrüge notwendig.