Die Katholische Landjugendbewegung ist ein Verein, der zwar nicht organisatorischer Teil der katholischen Kirche, aber mit dieser verbunden ist. Im Rahmen der „Aktion Rumpelkammer“ sammelte der Verein Altkleider und Altpapier, um diese an Großabnehmer zu verkaufen und aus dem Erlös wohltätige Projekte zu finanzieren. Hiergegen klagte ein gewerblicher Sammler, der dadurch sein Geschäft gefährdet sah. Das Landgericht Düsseldorf untersagte der Landjugend diese Betätigung, da diese – insbesondere durch die Bewerbung im Gottesdienst („Kanzelwerbung“) – sittenwidrig sei und damit unlauteren Wettbewerb darstelle.
Das Urteil über die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wäre über den Einzelfall hinaus kaum relevant, wenn es nicht einige grundsätzliche Fragen der Religionsfreiheit klären würde.
1. persönlicher Schutzbereich:
Das BVerfG stellte klar, dass nicht nur einzelne Personen, sondern auch Organisationen die Religionsfreiheit in Anspruch nehmen können. Dies wiederum umfasst nicht nur die Kirchen, sondern auch andere Organisationen, die der Glauben in irgendeiner Weise unterstützen oder ihn zur Grundlage ihres Handelns macht.
Und schließlich hängt dies auch nicht von der Rechtsform dieses Vereins ab. Zwar sagt Art. 19 Abs. 3 GG:
Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
Eine juristische Person ist ein nicht rechtsfähiger Verein aber gerade nicht. Trotzdem wendet das BVerfG – ohne dies allerdings groß zu begründen – die Grundrechte auch auf die Katholische Landjugend an. Wahrscheinlich ging das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass es keinen Unterschied macht, welche Organisationsform gewählt wird, zumal gerade kirchliche Vereinigung häufig ihre eigenen, traditionellen Formen verwenden.
2. sachlicher Schutzbereich:
Art. 4 Abs. 1 GG umfasst „Glauben, des Gewissen und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses“, also praktisch jede Form von Religion und Bekenntnis, nicht etwas nur die großen Weltreligionen oder gar die in Deutschland angestammten Kirchen.
Zudem gehören zur Religionausübung nicht nur der Gottesdienst und das Gebet als Inbegriff des Glaubenslebens, sondern auch Handlungen, die nur indirekt dem Glauben dienen oder die Organisation in ihren Zielen unterstützen.
Das BVerfG drückt das so aus:
Zur Religionsausübung gehören danach nicht nur kultische Handlungen und Ausübung sowie Beachtung religiöser Gebräuche wie Gottesdienst, Sammlung kirchlicher Kollekten, Gebete, Empfang der Sakramente, Prozession, Zeigen von Kirchenfahnen, Glockengeläute, sondern auch religiöse Erziehung, freireligiöse und atheistische Feiern sowie andere Äußerungen des religiösen und weltanschaulichen Lebens.
Dazu gehörte auch die Lumpensammlung der Landjugend, da diese die soziale Tätigkeit der Kirche – in dem Fall die Hilfe für notleidende Menschen – unterstützen sollte. Die Sammlung selbst erfolgte auch unentgeltlich und unter Offenlegung ihrer Ziele. Keinen Unterschied mache es, so das BVerfG, ob nun die gesammelten Gegenstände unmittelbar an arme Menschen gegeben werden oder ob sie verkauft werden und der Erlös dann weitergegeben wird.
3. Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichts
Das BVerfG hat weiterhin klargestellt, dass es nicht seine Aufgabe ist, nachzuprüfen, ob diese Tätigkeit der Katholischen Landjugend nun wettbewerbswidrig ist oder nicht. Es muss das Urteil des Landgerichts nicht auf sachliche Richtigkeit überprüfen. Vielmehr prüft es nur, ob das Fachgericht Grundrecht nicht korrekt angewandt oder ganz außer Acht gelassen hat.
In der Entscheidung heißt es:
Die der Entscheidung insoweit zugrunde gelegte Auslegung des § 1 UWG ist als Auslegung einfachen Rechts nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allein Sache der ordentlichen Gerichte, sofern diese dabei nicht die Wirkungskraft und Reichweite verfassungsrechtlicher Regelungen verkannt und dadurch Grundrechte des Betroffenen verletzt haben
Hier sah das Bundesverfassungsgericht es so, dass das Landgericht die Religionsfreiheit nicht berücksichtigt habe, da es nur die geschäftlichen Dimensionen der „Aktion Rumpelkammer“, nicht aber ihre religiöse Bedeutung gewürdigt habe. Gerade bei der Frage, ob eine bestimmte Handlung gegen die guten Sitten verstoße, müsse dies aber für die Bewertung herangezogen werden:
Bei der Auslegung des Begriffs „Sittenwidrigkeit“ der Wettbewerbshandlung hätte das Landgericht deshalb die besondere Art des Wettbewerbs zwischen einem Gewerbetreibenden und einem innerhalb der Religionsausübung handelnden „Wettbewerber“ von dem höherwertigen Rechtsgut ungestörter Religionsausübung aus beurteilen müssen und nach dem festgestellten Sachverhalt nicht als sittenwidrig werten dürfen.
Das BVerfG hat den Beschluss des LG Düsseldorf daher aufgehoben und zur erneuten Entscheidung – unter Berücksichtigung seiner Rechtsausführungen – zurückverwiesen.