BVerfG, Beschluss vom 29.07.2022, 2 BvR 54/22

Polizeiliche Maßnahmen greifen häufig in das informationelle Selbstbestimmungsrecht ein.
Polizeiliche Maßnahmen greifen häufig in das informationelle Selbstbestimmungsrecht ein.
Der Verfassungsbeschwerdeführer in diesem Verfahren war Beschuldigter in einem Strafverfahren wegen Sachbeschädigung. Konkret soll er einige Graffiti an eine Hauswand gesprayt haben, wobei er von einem Zeugen beobachtet worden sein soll.

Im laufenden Ermittlungsverfahren wurden dann seitens der Polizei erkennungsdienstliche Maßnahmen angeordnet, insbesondere die Abnahme von Fingerabdrücken und die Erstellung von Photos des Beschuldigten. Auch die zuständigen Ermittlungsrichter (Amtsgericht sowie Landgericht Zwickau) bestätigten diese Anordnungen.

Hiergegen wehrte sich der Betroffene aus zweierlei Gründen:

Maßnahmen nicht zielführend bzw. nicht notwendig

Die Abnahme von Fingerabdrücken ergebe keinen Sinn. Denn am Tatort seien keine Fingerabdrücke gefunden worden, die man nun abgleichen könnte.

Dies sah auch das Bundesverfassungsgericht so. Da die Abnahme der Fingerabdrücke deswegen keinen Identifizierungszweck erfüllen könne, sei diese schon gar nicht geeignet, der Durchführung des Verfahrens zu dienen.

Die Erstellung von Photos sei nicht notwendig. Der Zeuge könne den Betroffenen auch in der Hauptverhandlung sehen und dann aussagen, ob er ihn wiederkenne.

Auch hier stimmte das Bundesverfassungsgericht zu. Zwar schloss es hier nicht völlig aus, dass die Erstellung von Photos hier für die Identifizierung notwendig sein könne. Allerdings hätten sich weder die Polizei noch die Gerichte nicht ausreichend damit und mit möglichen Alternativen auseinandergesetzt.

Verstoß gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht

Damit lag nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ein Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht vor. Dieses ist – je nach Sichtweise – ein eigenes Grundrecht oder ein Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. In jedem Falle wird das Recht aus Art. 2 Abs. 1 (allgemeine Handlungsfreiheit) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) abgeleitet.

Dieses Recht schützt persönliche Daten von Bürgern, insbesondere gegen Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe. Zu den Daten gehören auch die hier in Rede stehenden Fingerabdrücke sowie das optische Erscheinungsbild.

Eingeschränkt werden darf dieses Recht aber zugunsten überwiegender Allgemeininteressen wie etwa der Aufklärung von Straftaten. Notwendig ist dann, dass diese Daten auch wirklich benötigt werden, um die Ermittlungen zu unterstützen.

Volltext der Entscheidung: https://www.bundesverfassungsgericht.de/e/rk20220729_2bvr005422.html

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